Trigeminusneuralgie
Information für Betroffene
Trigeminusneuralgie
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1. Definition
Die Trigeminusneuralgie ist ein Gesichtsschmerz, der sich exakt auf das Gebiet der Trigeminusäste beschränkt und durch eine Nervenschädigung in diesem Bereich, die fast immer durch äußere Reize ausgelöst wird, verursacht ist.
Sie ist gekennzeichnet durch sehr heftige, plötzlich auftretende Schmerzen, die sich nach Intervallen völliger Schmerzfreiheit salvenartig wiederholen. Die Abstände zwischen den einzelnen Attacken verkürzen sich dabei im Krankheitsverlauf.
2. Symptome
Betroffen ist der fünfte Hirnnerv, Nervus Trigeminus genannt, der aus drei Ästen besteht. Meist ist jedoch der zweite oder dritte Ast des Nerven betroffen, also der Ober– und Unterkiefer und der Mund.
Die Schmerzen treten blitzartig auf. Sind extrem heftig und dauern zwischen Sekunden und wenigen Minuten. Sie werden durch äußere Faktoren begünstigt, wie kalter Luftzug, Essen, Kauen, Zähneputzen oder Gesichtwaschen mit kaltem Wasser. Man nennt diese Auslösung durch äußere Faktoren auch Triggerung.
Schmerzreflektorisch kommt es dabei oft zu Verkrampfungen der Gesichtsmuskulatur, man nennt daher diese Erkrankung auch Tic douloureux.
Meist ist nur eine Seite betroffen.
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Klassische Verwechslung
Aufgrund der Ausstrahlung der Schmerzen in Ober- und Unterkiefer wird die Trigeminusneuralgie nicht selten mit einer Zahnerkrankung verwechselt. Dies führt leider immer wieder dazu, dass sich die schmerzgeplagten Patienten oft ganze Zahnreihen entfernen lassen, bevor sie dann endlich in die Sprechstunde des Neurologen kommen.
Andererseits kann es auch nach Zahnextraktion zu einer Trigeminusneuropathie kommen. Der Schmerzcharakter dieses Zustandsbildes unterscheidet sich jedoch grundlegend von der klassischen Trigeminusneuralgie. Es besteht ein Dauerschmerz, blitzartige Attacken fehlen. -
Symptomatische Formen
Tumoren und vaskuläre Prozesse im Bereich der hinteren Schädelgrube, Herpes Zoster und Schädelbasisfrakturen können ebenfalls zu Schmerzen führen, welche der Trigeminusneuralgie sehr ähnlich sind. Auch bei bei der Multiplen Sklerose kann es durch Entmarkungen am Nerven oder Hirnstamm zu Kurzschlüssen kommen, die in der Folge zu einer Trigeminusneuralgie, nicht selten auch beidseits, führen können.<br>
In allen diesen Fällen sind läsionelle Verfahren die Therapie der Wahl. -
Atypische Formen
Die typische Trigeminusneuralgie darf nicht mit der Trigeminusneuropathie verwechselt werden. Bei letzterer besteht ein Dauerschmerz, der in der Regel auch nicht getriggert werden kann.<br>
Die Neuropathie kann durch durch Nervverletzung (z.B. Trauma, Zahnwurzelbehandlung) oder durch Neurombildung nach Eingriffen am Kiefer oder den Zähnen entstehen. Die Behandlung der Neuropathie darf auf keinen Fall läsionell sein! Hier bietet sich zum Beispiel die Neurostimulation an.
3. Ursache
Die Ursache der Trigeminusneuralgie ist nicht ganz geklärt. Diskutiert wird eine Druckschädigung im Hirnstammbereich durch ein kreuzendes Gefäß. Die Pulswellen dieses Gefäßes sollen dabei zu einer lokalen Demyelinisierung (Entmarkung) des Nerven führen. In der Folge kommt es zu Kurzschlüssen im Nerven, die überschlagenden Impulse werden als Schmerzen wahrgenommen.
4. Therapie
Zur Behandlung der Trigeminusneuralgie gibt es eine Vielzahl an therapeutischen Möglichkeiten. Dies schlägt sich auch in der medizinischen Literatur nieder, wo es allein seit 1966 über dreitausend (!) Literaturstellen gibt.
Welche Therapie im Einzelfall zu empfehlen ist, hängt von vielen sowohl subjektiven als auch objektiven Faktoren ab und muss in einem ausführlichen Gespräch mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Oft ist es auch sinnvoll eine zweite Meinung einzuholen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten die Trigeminusneuralgie zu behandeln. An erster Stelle steht immer die medikamentöse Behandlung. Nur wenn diese nicht ausreicht oder Nebenwirkungen auftreten, welche ein adäquate medikamentöse Behandlung verhindern, können chirurgische Behandlungen erwogen werden.
Behandlungsmethoden
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Medikamente
Die medikamentöse Behandlung ist die Therapie der ersten Wahl bei Trigeminusneuralgie.
Das wirksamste Medikament ist Carbamazepin (Tegretol, Neurotop). Wegen seiner Nebenwirkungen muss die Dosierung jedoch sorgfältig und langsam erhöht werden. Ist eine wirksame Dosierung erreicht, so soll diese nicht mehr verändert, sondern langfristig beibehalten werden. Wenn Carbamazepin nicht wirkt oder nicht gut vertragen wird, kann Diphenylhydantoin versucht werden. Alternativen sind Valproat und Clonazepam.
Konventionelle Schmerzmittel wie nicht-steroidale Antiphlogistica oder Morphinderivate helfen bei der Trigeminusneuralgie wenig. -
Infiltration
Eine gezielte Infiltration der peripheren Enden des Nerven (Hautäste) mit lokalen Betäubungsmittel können in Einzelfällen vorübergehend Linderung bringen. Als langfristige Therapie sind Infiltrationen jedoch meist nutzlos.
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Thermokoagulation
Die perkutane Thermokoagulation des Ganglion Gasseri, einer zentralen Schaltstelle des Nervus Trigeminus, gehört zu den am öftesten praktizierten und best untersuchten Therapiemethoden der Trigeminusneuralgie. Das Prinzip dieses Verfahrens beruht darauf, dass die schmerzleitenden Fasern des Nerven (C-Fasern) schlechter myelinisiert sind als die restlichen Fasern. Der verminderte Myelingehalt macht die C-Fasern empfindlicher gegen Hitze. Durch gezielte Erwärmung können daher die C-Fasern selektiv ausgeschaltet werden.
Hierzu wird zunächst in Kurznarkose das Ganglion Gasseri unter Röntgenkontrolle mit einer Spezialsonde punktiert. Danach wird am wachen Patienten mittels Reizstrom sicher gestellt, dass die Sonde genau in der Zone des Ganglions liegt, wo die Schmerzfaser ausgeschaltet werden sollen. Wenn die exakte Lage überprüft werden konnte, wird das Ganglion für etwa 90 Sekunden auf 70° Celsius erhitzt und die Schmerzfasern ausgeschaltet. Nicht betroffene Bereiche lassen sich bei diesem Vorgehen optimal schonen. Es handelt sich um einen relativ kurzen operativen Eingriff, die Dauer des Klinikaufenthalts beträgt zirka zwei Tage. -
Ballonkompression
Die Ballonkompression ist im Prinzip mit der Thermokoagulation vergleichbar, auch sie zielt auf eine Zerstörung der Schmerzfasern hin. Dabei wird, ebenfalls in Kurznarkose, ein kleiner Ballon in das Ganglion vorgeschoben und aufgeblasen. Dies führt zur, wenngleich weniger selektiven, Zerstörung der Schmerzfasern. Diese Therapieform wird bevorzugt an Zentren durchgeführt, wo die Voraussetzungen für die klassische perkutane Thermokoagulation nicht gegeben sind.
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Glycerolinjektion
Auch dies ist ein Verfahren, welches mit der perkutanen Thermokoagulation verglichen werden kann. Anstelle von Hitze wird hier eine den Nerven denaturierende Substanz, Glycerol, in das Ganglion injiziert.
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Mikrovaskuläre Dekompression
Sie gilt als Verfahren der ersten Wahl bei der operativen Behandlung der Trigeminusneuralgie, insbesondere wenn der erste Ast oder alle drei Äste einer Gesichtshälfte betroffen sind. Das Prinzip beruht auf der Vorstellung, dass die Ursache der Trigeminusneuralgie in einer Druckschädigung des Nerven durch ein kreuzendes Gefäß bei seinem Austritt aus dem Hirnstamm besteht. Die Pulswellen dieses Gefäßes sollen zu einer lokalen Demyelinisierung (Entmarkung) führen. Dadurch kommt es zu Kurzschlüssen im Bereich des Nerven.
Bei dieser Operation wird der Kopf im Bereich der hinteren Schädelgrube eröffnet, der Nervus trigeminus unter dem Operationsmikroskop dargestellt und von dem kreuzenden Gefäß befreit. Meist wird zusätzlich ein kleines Teflon Plättchen oder Muskelstückchen zwischen Nerv und Gefäß gelegt.
Die mikrovaskuläre Dekompression ist die einzige Methode, die ohne Ausschaltung des Nerven zurechtkommt und somit die Krankheit auch heilen kann. Nachteil ist der relativ hohe operative Aufwand mit Schädeleröffnung und längerem Klinikaufenthalt. Diese Methode sollte daher nur bei Patienten unter 70 Jahren zum Einsatz kommen.
Ein sehr schönes Video zu dieser Technik gibt es hier:
sanjoseneurospine.com (leider nur auf Englisch). -
Radiochirurgie
Die radiochirurgische Behandlung durch den gezielten und gebündelten Einsatz von radioaktiven Strahlen (Gamma Knife, LINAC) ist ein weiteres läsionelles (ausschaltendes) Verfahren, welches völlig ohne Punktion auskommt, Eine lokale Betäubung ist trotzdem nötig. Die Wirkung der Bestrahlung und somit auch die Schmerzreduktion tritt jedoch erst nach mehreren Monaten ein. Die Eingriffsdauer ist erheblich länger als die , der übrigen läsionellen Verfahren, Langzeitergebnisse stehen noch aus.
5. Untersuchungsbefunde
Die Diagnosestellung erfolgt fast immer aufgrund der Symptome. Diese sind in der Regel so typisch, dass die Diagnose bereits aus der Schilderung des Patienten erfolgen kann. Trotzdem wird routinemäßig eine Kernspintomographie durchgeführt, um andere Erkrankungen wie z.B. einen Tumor oder eine Gefäßmissbildung am Nerven auszuschließen.
6. Häufigkeit
Die Trigeminusneuralgie tritt in der Regel erst in der zweiten Lebenshälfte auf und betrifft somit Menschen ab dem 45.Lebensjahr. Von 100.000 Personen sind etwa 40 davon betroffen. Das Verhältnis Männer zu Frauen beträgt 2:3.